Persönlichkeitsentwicklung – sich seiner selbst bewusst sein, Teil 2

Wer ist hier eigent­lich ver­ant­wort­lich, könnte man sich denken, wenn man sich in unse­rer Welt einmal umschaut. Mit klarem Blick iden­ti­fi­zie­ren wir Miss­stän­de und der wache Geist spürt, dass es so nicht wei­ter­ge­hen kann – zumin­dest nicht, wenn die Mensch­heit auf diesem Pla­ne­ten glück­lich, zufrie­den und fried­voll wei­ter­le­ben möchte. Da muss man doch etwas tun, sagt eine Stimme. Wenn Aktion gefragt ist, tritt der Ver­stand auf den Plan und nutzt ein bewähr­tes Rezept: Erst einmal den Fehler suchen, dann den oder die Schul­di­gen. So wird ganz selbst­ver­ständ­lich deut­lich, wer die Ver­ur­sa­cher sind und damit die Ver­ant­wort­li­chen für die Situa­ti­on und deren Bereinigung.

Inhaltsverzeichnis 

In ➜ Teil 1 … dieser Reihe habe ich schon auf das Poten­zi­al hin­ge­wie­sen, das im Per­spek­tiv­wech­sel steckt, durch die bewuss­te, mehr oder minder pau­scha­le Über­nah­me von Ver­ant­wor­tung. Dabei auf Kurs zu blei­ben, erfor­dert ein hohes Maß an Bewusst­heit. Zunächst ist dabei eine wie­der­um para­do­xe Auf­ga­be zu bewäl­ti­gen: Wir haben unse­ren Ver­stand vom Stö­ren­fried zum Kom­pli­zen zu machen.

Viel­leicht hast du es beim Lesen der Ein­lei­tung bemerkt: Flugs findet unser blitz­ge­schei­ter, wie­sel­flin­ker Ver­stand Ver­ant­wort­li­che für den Zustand der Welt. Es ist kein Zufall, dass es erst einmal die ande­ren sind. Je mehr und je weiter weg von uns selbst die Ver­ur­sa­cher sind, umso besser. Dann hat es näm­lich nichts mit uns selbst zu tun – dann müssen wir keine Mit-Ver­ant­wor­tung übernehmen.

Mit-Ver­ant­wor­tung? Was ist das über­haupt für ein Begriff, wird der Ver­stand nun thea­tra­lisch, mit gen Himmel ver­dreh­ten Augen fragen.

Nehmen wir an: Jemand in meiner unmit­tel­ba­ren Nähe ver­hält sich nega­tiv: Eine Bekann­te oder ein Freund behan­deln eine Ser­vice­kraft im Bistro über­mä­ßig her­ab­las­send. Wir können jetzt weg­hö­ren und glau­ben, das ginge uns nichts an. Wir könn­ten aber auch unsere Hand besänf­ti­gend auf den Unter­arm unse­rer Beglei­tung legen und so non­ver­bal zu ver­ste­hen geben, dass genü­gend Dampf in die fal­sche Rich­tung abge­las­sen wurde.

Mit unse­rer Inter­ven­ti­on können wir doch eigent­lich nur Gutes bewir­ken: Wir machen unse­ren Freund min­des­tens auf­merk­sam auf die Dosis der auf­wal­len­den Rage. Der Ser­vice­kraft gegen­über signa­li­sie­ren wir, dass sie nicht allein ist und jemand sich mit ihr soli­da­ri­siert. Min­des­tens unter­bre­chen wir die Situa­ti­on durch die Störung.

Doch warum tun wir das oft nicht?

Ver­mut­lich votie­ren jetzt einige für die Auto­no­mie der ande­ren Betei­lig­ten, die wir mit der Ein­mi­schung even­tu­ell unter­gra­ben. Doch ich möchte auf etwas ande­res hinaus:

Jede getrof­fe­ne Ent­schei­dung, die wir in einer sol­chen Situa­ti­on tref­fen, ist eine ego­is­ti­sche: Ob wir nun …

  • inter­ve­nie­ren, die Situa­ti­on unter­bre­chen und damit viel­leicht das eigene Wohl­ge­fühl sicherstellen,
  • nichts tun und unsere Betei­li­gung her­un­ter­spie­len und uns heraushalten.

Ich denke, wir sind gerne auf dem Holz­weg, wenn wir uns ein­re­den, wir täten etwas für jemand ande­ren – oder lassen es. Wenn wir uns aus einer Situa­ti­on her­aus­hal­ten, dann doch, weil wir mög­li­che Kon­se­quen­zen unse­res Han­delns ver­mei­den wollen – etwa, dass die Stim­mung kippt. Es ist also ein Inter­es­sen­kon­flikt in uns: 

  • Ich ris­kie­re, meinen Freund zu brüs­kie­ren oder,
  • dass ich mich mit ihm dort nun unwohl fühle.

Ent­schei­den wir uns letz­ten Endes nicht immer für uns selbst? Das hieße ja, wir wären ego­zen­trisch, wenn nicht gar ego­is­tisch. An dieser Stelle bäumt sich die Phi­lo­so­phie auf mit dem Argument: 

„Alles ist ego­is­tisch“ ist ent­we­der falsch, weil es echte Selbst­lo­sig­keit gibt, oder tri­vi­al, wenn man jede Moti­va­ti­on als ego­is­tisch umde­fi­niert – also auch die Freude am Helfen als Ego­is­mus inter­pre­tiert.“

Verantwortung übernehmen

Abbil­dung: Pete Lin­forth via Pixabay

Jede Ent­schei­dung ist untrenn­bar mit Ver­ant­wor­tung ver­knüpft – für uns selbst und für die Betrof­fe­nen. Es ist unsere Ver­ant­wor­tung für das Zusam­men­sein und die gewähl­te Balan­ce aus …

  • du und ich, 
  • innen und außen,
  • ein- und ausatmen,
  • Akti­vi­tät und Ruhe,
  • Ego­is­mus und Altruismus.

Denn jede unse­rer Ent­schei­dun­gen hat Aus­wir­kun­gen auf das Leben ande­rer – selbst die Ent­schei­dung, nichts zu tun.

Die Folgen sind mal mehr, mal weni­ger drastisch:

Wenn wir faul sind oder es eilig haben und in zwei­ter Reihe parken, müssen alle ande­ren sich wegen der nun blo­ckier­ten Fahr­spur arran­gie­ren. Das wird sie viel­leicht nur etwas Auf­merk­sam­keit kosten oder aber gefähr­li­che Situa­tio­nen heraufbeschwören.

Wenn wir als Eltern­teil die Fami­lie ver­las­sen, wirkt sich diese auf gemein­sa­me Kinder aus – wird je nach Alter, Ent­wick­lungs­stand und Art des Umgangs unter­schied­li­che Aus­wir­kun­gen haben: vom läs­ti­gen Hin- und Her­rei­sen zwi­schen den Eltern bis zu the­ra­pie­wür­di­gen Bin­dungs- und Beziehungstraumata.

Wenn wir die güns­tigs­ten Pro­duk­te kaufen, den güns­tigs­ten Strom bezie­hen, die güns­tigs­te Hei­zung ein­bau­en, hat das Aus­wir­kun­gen auf Men­schen, die wir nicht einmal per­sön­lich kennen – oder auf solche, die viel­leicht noch gar nicht gebo­ren sind.

Entscheidende Faktoren

Alter mechanischer, elektrischer Schalter mit Schalthebel aus Guss.
Bild: Marc Pascual via Pixabay

Ent­schei­dend ist, sich seiner Ver­ant­wor­tung für eigene Beschlüs­se bewusst zu sein – ob im Stra­ßen­ver­kehr oder in der Familie:

Ich, du, wir

Wenn wir …

  • Ent­schei­dun­gen aus­schließ­lich aus der eige­nen Per­spek­ti­ve tref­fen, wird es wohl eine ego­is­ti­sche sein. Das ist ein­fach und hat viel­leicht Kon­se­quen­zen für das eigene Leben, die wir erst viel später erkennen.
  • nur zum Wohle ande­rer tref­fen, werden wir selbst als Indi­vi­du­um auf der Stre­cke blei­ben – viel­leicht sogar unser kom­plet­tes Leben.

Tun oder lassen

Ebenso soll­ten wir uns unse­rer Ver­ant­wor­tung bewusst sein, wenn wir nichts tun. Mit­un­ter hat dieses Nichts­tun schwer­wie­gen­de Folgen. Im Straf­ge­setz­buch (StGB) ist unter § 323c die Unter­las­sung der Hil­fe­leis­tung geregelt.

Fazit #2

Unab­hän­gig davon, ob wir nichts tun oder was wir tun: Es sollte eine bewuss­te Ent­schei­dung sein – im Bewusst­sein, dass sie Aus­wir­kun­gen auf uns selbst haben und auf andere. Dabei geht es dabei immer wieder um die oben beschrie­be­ne Balan­ce. Wo sich jetzt Wider­stand regt, ist beson­de­re Auf­merk­sam­keit gefordert.

Sind da jetzt Stim­men zu hören, die sich bekla­gen wollen?

Ja, es gibt Men­schen, die selbst nicht gut ent­schei­den können, viel­leicht gar nicht ent­schei­den wollen. Sie leben und arbei­ten gerne in geord­ne­ten Umge­bun­gen, fühlen sich dort sicher und wohl. Einige davon werden loyal, flei­ßig bis zur Pen­si­on genau das tun, was ihnen auf­ge­tra­gen wird. Es sind die treuen Gefähr­tin­nen und Gefährten.

Dann gibt es andere, die sich ver­wirk­li­chen wollen – viel­leicht gar aus­bre­chen wollen aus bestehen­den Kon­ven­tio­nen. Einige davon möch­ten sich trei­ben lassen, heute hierin, heute dort­hin. Sie sind mit­un­ter krea­ti­ve, wilde Geis­ter, haben jeden Tag tau­sen­de neue Ideen. Oder sie sind die Vor­rei­ter, die als Kind in den Zau­ber­trank namens Lea­der­ship gefal­len sind – haben Visio­nen, die andere jen­seits des Hori­zonts kaum erahnen.

Zitat Dr. Christina Kessler: »Nur wer sich selbst auf die Schliche kommt – seine Schatten, aber auch seine Stärken erkennt – kann die Verantwortung für sich und sein Leben übernehmen.«
Aus »Die 33 Her­zens­qua­li­tä­ten – Die Intel­li­genz der Liebe«, Dr. Chris­ti­na Kess­ler, edi­ti­on amo ergo sum, 2010

Wich­tig ist: Es gibt hier kein Rich­tig oder Falsch – nur anders.

Diese stark unter­schied­li­chen Per­sön­lich­keits­merk­ma­le können zügig zu Kon­flik­ten führen – ob nun im Berufs­le­ben, im Freun­des- und Fami­li­en­kreis oder in Liebes- oder Paar­be­zie­hun­gen. Sie können ein­an­der jedoch auch wun­der­bar ergänzen.

Sei dir deiner Verantwortung bewusst

Ob und wie du ent­schei­dest, welche Kon­se­quen­zen damit ein­her­ge­hen, wer davon betrof­fen ist und dass andere Men­schen Werte, Bedürf­nis­se und Wün­sche haben können als solche, die du für rich­tig hältst.

Oder möch­test du dann doch lieber Opfer der Umstän­de, abhän­gig von ande­ren und damit deren Spiel­ball sein? Das ist zwar beque­mer, jedoch weder ein selbst-bestimm­tes noch selbst-bewuss­tes Leben. Also:

Trage bewusst die Verantwortung für das, was du tust – und ebenso für das, was du unterlässt.

Was zu hart ist, zer­bricht – was zu weich, rich­tet sich nicht mehr auf. Nur, was fle­xi­bel ist, wird sich den Gege­ben­hei­ten anpassen. 

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